6805 Mehrsprachigkeit muss sein, Wertschätzung auch. Giovanni Pollice, Hauptvorstand IG BCE

20090225 14:46:00 redazione-IT

Im Dialog bleiben! – Mehrsprachigkeit muss sein, Wertschätzung auch. Giovanni Pollice, Hauptvorstand IG BCE, Leiter der Abt. Ausländische Arbeitnehmer/Migration

„Wir argumentieren damit, dass man heutzutage, wenn man eine Chance haben möchte, Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. Zugang zu einem Ausbildungsplatz zu haben, unbedingt notwendig ist, dass man eine gute Ausbildung und eine gute schulische Bildung hat. Es reicht einfach nicht mehr, „nur“ die Hauptschule zu besuchen. Sondern muss man versuchen, auf weiterführende Schulen bzw. Gymnasien und Realschulen zu gehen. Dann ist die Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, natürlich wesentlich größer. Allerdings kritisieren wir immer wieder, dass das deutsche Schulsystem sehr selektiv ist und die sozial Schwachen benachteiligt. Hier ist eine Reform notwendig.“

Dieser Beitrag wurde der Publikation "Kommunikation und Motivation: Menschen mit Migrationshintergrund aktiv einbeziehen" entnommen.

Informationen in acht Sprachen!

„Wir erreichen viel über die Kommunikationsstruktur in unserer Gewerkschaft. Wir haben als IG BCE einen Bundesarbeitskreis Ausländische Arbeitnehmer und viele Arbeitskreise, die vor Ort tätig sind. Die Mitglieder dieser Arbeitskreise, die unsere Multiplikatoren sind, werden von uns immer wieder aufgefordert für Weiterbildung zu werben. Dann nutzen wir unsere interne „Presse“. Wohl wissend, dass wir damit nicht „Millionen“ von Menschen erreichen. Aber auf jeden Fall erreichen wir viele – sowohl über Newsletter, Internet als auch über die Gewerkschaftspresse. Außerdem bringt die IG BCE eine Monatszeitschrift heraus „Kompakt“, die an jedes Mitglied nach Hause geschickt wird. Die interkulturellen Mitglieder werden von uns zusätzlich gesondert angesprochen. Was sie angeht, veröffentlichen wir als einzige Gewerkschaft in Deutschland ein Infoblatt in acht Sprachen! Zwar nur zweimal im Jahr – aber immerhin! In diesem Infoblatt behandeln wir dann bestimmte Themen, worunter die Weiterbildung auch als Schwerpunkt fällt. 2007 haben wir eine bundesweite Bildungskampagne gestartet unter dem Titel „Offensive Bildung“. Diese wird heute fortgesetzt.

Die Menschen brauchen dringend eine gute Ausbildung!

Wir argumentieren damit, dass man heutzutage – wenn man eine Chance haben möchte – Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. Zugang zu einem Ausbildungsplatz zu haben, unbedingt notwendig ist, dass man eine gute Ausbildung und eine gute schulische Bildung hat. Es reicht einfach nicht mehr, „nur“ die Hauptschule zu besuchen. Sondern man muss versuchen, auf weiterführende Schulen bzw. Gymnasien und Realschulen zu gehen. Dann ist die Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, natürlich wesentlich größer. Allerdings kritisieren wir immer wieder, dass das deutsche System sehr selektiv ist und die sozial Schwachen benachteiligt. Unsere Kampagne soll einerseits die Betroffenen ansprechen und informieren, andererseits ist sie an die Politik gerichtet. Denn wir meinen: Das deutsche Schulsystem muss reformiert werden!

Und die älteren Menschen mit Migrationshintergrund?

In den letzten Jahren hat einen Wandel stattgefunden dementsprechend haben wir auch unsere Politik geändert. Denn wir wissen, dass Aufgrund des demografischen Wandels natürlich auch Ältere länger beschäftigt werden müssen, während man früher gedacht hat, spätestens mit achtundfünfzig Jahren ginge man in den Ruhestand und würde den Jüngeren Platz machen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das so ohne weiteres nicht funktioniert. Wir sind der Auffassung, dass das Wissen der Älteren einfach notwendig ist und besser genutzt werden sollte! Außerdem versuchen wir in den Betrieben, über unsere Strukturen, über unsere Betriebsräte und in Absprache mit den Arbeitsgebern, Qualifizierungsangebote zu schaffen und Umschulungsmaßnahmen durchzuführen. Allerdings wissen wir, dass wir ältere Migrantinnen und Migranten haben, die aufgrund von Sprachschwierigkeiten einfach nicht in der Lage sind, diese Kurse zu belegen. Da wird es einfach zunehmend schwerer für uns, direkt Angebote für sie zu schaffen. Was allerdings für uns nicht heißt, dass wir diese Kolleginnen und Kollegen hängen lassen. Für sie werden andere Lösungen gesucht.

Was muss geschaffen werden für Ältere?

Wir bemühen uns darum, dass bei absehbaren Rationalisierungen in Betrieben rechtzeitig für die gering Qualifizierten vorgesorgt wird. In dem wir sie auffordern so schnell wie möglich ein Deutschkurs zu besuchen damit man in der Lage ist eine Umschulungsmaßnahme zu ergreifen! Grundlage ist immer wieder die Sprache! Mit der Änderung des Zuwanderungsgesetztes werden verstärkt Sprachkurse angeboten.

Kommunikation in der Muttersprache: Vertrauen ist wichtig

Uns nahe stehenden Kulturvereinen bieten Deutschkurse außerhalb der Arbeitszeit an, mitunter auch aus öffentlichen Mitteln finanziert. Das sind spezielle Angebote für ältere Migrantinnen und Migranten. Ganz wichtig ist aber, dass die älteren Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund auch von Landsleuten angesprochen werden. Also in ihrer Muttersprache! Damit wird eine Vertrauensbasis geschaffen. Das machen wir über unsere Funktionäre und unsere Multiplikatoren, die wir als Betriebsräte in den Betrieben haben, die selbst Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund sind. Die größte Gruppe sind die Türken. Da haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Dort, wo die Funktionäre wirklich präsent sind, klappt es wesentlich besser als dort, wo wir nicht so stark vertreten sind.

Motivation: Was hilft?

In erster Linie ist es die Sorge vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Das ist gar keine Frage. Und das Zweite ist natürlich, dass man versucht, durch das Angebot von Unterstützungsmaßnahmen die Kolleginnen und Kollegen in die Lage zu versetzen, einfach innerhalb der Hierarchie, innerhalb der Struktur des Betriebes aufzusteigen. Die Aussicht auf einen besseren, einen besser bezahlten Arbeitsplatz motiviert natürlich auch. Aber wenn es um Ältere geht, dann geht es in erster Linie vor allem darum, Arbeitslosigkeit zu verhindern.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten…

Idealerweise sähe das so aus, dass man präventiv vorgeht, also alle ausbildet. Das wäre optimal. Ein zweiter Wunsch wäre, dass alle Arbeitgeber das Potenzial, das sie in den Betrieben haben, Bikulturalität, Bilingualität usw. erkennen und nutzen. Das bedeutet: in Bildung und Weiterbildung investieren mit dem Ergebnis das beiden Seiten davon profitieren. Zurzeit sind wir als IG BCE dabei mit dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) das Thema Diversity Management voran zu treiben. Auf dem Gebiet der Bildung bzw. Weiterbildung haben wir als IG BCE schon sehr vieles geleistet, sehr viel tariflich vereinbart. Wir haben sehr viel für die Jugendlichen erreicht. Sowohl hinsichtlich der Erhöhung der Ausbildungsplätze als auch hinsichtlich der Unterstützung von Jugendlichen, die keinen Hauptschulabschluss haben. Oder die „nur“ einen Hauptschulabschluss haben. Auch diese jungen Menschen sollen die Chance auf einen Ausbildungsplatz bekommen. Das alles ist nicht neu für uns und basiert auf einem Vertrag, den die Vorgängerorganisation IG Chemie, Papier, Keramik bereits im Jahre 1977 abgeschlossen hat. Wir haben uns um diese Belange bereits vor über 30 Jahren gekümmert.

Die Frage der Sprache – auch eine Frage der Wertschätzung?

Also, für uns ist das klar: Wir sagen eindeutig, dass alle, die in Deutschland bleiben wollen, Deutsch lernen müssen. Da geht kein Weg daran vorbei. Andererseits muss auch die Pflege der Muttersprache einen hohen Stellenwert haben. Wir unterstützen alles, was in dieser Richtung läuft. Man muss nicht unbedingt die Muttersprache aufgeben. Im Gegenteil: Heutzutage ist es in der globalisierten Welt besonders wichtig, mehrere Sprachen zu sprechen. Zwei sind das Minimum, drei oder vier wären noch besser. Insofern kann unsere Politik nur darauf gerichtet sein, dass man die Mehrsprachigkeit unterstützt. Und wir haben, das habe ich bereits vorhin erwähnt, als einzige Gewerkschaft noch Publikationen in mehreren Sprachen. Das geschieht einerseits weil wissen, dass es noch Kolleginnen und Kollegen gibt, die der deutschen Sprache nicht so mächtig sind, andererseits sehen wir das als ein Zeichen von Wertschätzung unsererseits ihnen gegenüber. Für uns ist es wichtig, dass wir mit den Menschen mit allen unseren Mitgliedern im Dialog bleiben. Deswegen heißt unser mehrsprachiges Infoblatt ja auch „Dialog“.

09-2008

 
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EmiNews 2009

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